Auslandsfamulatur Sansibar: C - Patienten der Notaufnahme

Auslandsfamulatur Sansibar: C - Patienten der Notaufnahme

Wir sind Chiara und Marie, studieren beide Medizin und haben eine Auslandsfamulatur in der Notaufnahme auf Sansibar abgelegt. Wir waren voller großer Erwartungen und auf die schlimmsten Fälle vorbereitet. Was wir dann tatsächlich wirklich alles gesehen haben, zeigen wir euch anhand einiger Fälle auf.

Wir haben auch einen Übersichtsblogpost, da wir in unserem Monat natürlich sehr viele Patienten sehen durften! Hier findest du alle Patienten die ein C-Problem haben. Sprich mit dem Kreislauf.


Patientin #1

Sampler

  • 30 Jahre
  • Fehlgeburt vor 2 Wochen
  • Ø Vorerkrankungen bekannt
  • Ø Ereignis bekannt
  • Hämoglobin: 5g/dl (Kontrolluntersuchung vor 2 Tagen)

Beurteilung

  • kaltschweißig, blasses Hautkolorit
  • aufgeregt
  • gestaute Halsvenen
  • kalte Extremitäten
  • Beinödeme
  • Tachypnoe, brodeln der basalen Lungenabschnitte

Parameter

  • SpO2: 88%
  • Puls: 112 bpm
  • RR: 50/30 mmHg
  • EKG: Ø Infarkt, Ø Rythmusstörungen

Therapie

Tatsächlich war das etwas chaotisch, denn hierbei handelte es sich um eine der wenigen lebensbedrohlichen Situationen die wir miterlebt haben. Als erstes erfolgte eine Oberkörperhochlagerung. Der Patientin wurden zwei großlumige Zugänge gelegt. Und anschließend ein zentraler Venenkather. Langsame Infusion sowohl einer Ringerlösung mit 40µg Noradrenalin, sowie eine Blutkonserve über den ZVK. Legen eines Harnröhrenkatheters und Bolusgabe von 40mg Furosemid. Die Patientin hat sich über 30min langsam stabilisiert und wurde sofort auf die Intensivstation verlegt.

Gestellte Diagnose

  • kardiogener Schock

Bei einem kardiogenen Schock ist es wichtig das Herz nicht zu sehr zu belasten, weshalb auch auf die Schocklagerung in der Therapie verzichtet wurde und die Patientin mit erhöhten Oberkörper gelagert wurde. Einerseits um die Atmung zu erleichtern, aber auch um das Herz weiter zu entlasen. Für einen kardiogenen Schock gibt es mehrere Ursachen, die im Anschluss auch bei der Patientin untersucht wurden.

  • Akuter Herzinfarkt
  • Herzrythmusstörungen
  • Myokarditis
  • Kardiomyopathie
  • Mechanische Ursachen

Therapie in Deutschland

Die Therapie des kardiogenen Schocks ist nicht ganz so einfach. Aus diesem Grund greifen wir hierbei auf die Leitlinie zurück und fügen sie dir ein.


Patient #2

Sampler

  • Fremdanamnese über Bruder
  • 33 Jahre
  • Patient hatte über 3 Tage erbrochen und Durchfall
  • Ø Vorerkrankungen

Beurteilung

  • GCS: 3
  • trockene Haut, stehende Hautfalten (über den ganzen Körper)
  • kalte Extremitäten
  • eingefallenes Gesicht

Vitalparameter

  • SpO2: 80%
  • Puls: 140 bpm
  • RR: 30/20 mmHg

Therapie

Der Patient hat zwei großlumige Zugänge erhalten und wurde in Schocklagerung, mit erhöhten Beinen positioniert. Ihm wurden Blutkulturen abgenommen. Über eine Maske mit Reservoir wurde ihm 15 Liter O2 angehangen. Ihm wurden insgesamt 4 Liter Vollelektrolytlösung verabreicht. Nach ca. 3 Litern reagierte der Patient wieder und sein GCS erhöhte sich auf 8. Bei langsamer Stabilisierung des Blutdrucks wurden die Beine abgesenkt und der Sauerstoff stufenweise wieder reduziert. Der Patient wurde anschließend mit einer Decke eingewickelt, um seine Temperatur ebenfalls stabil zu halten, da keine vorgewärmten Infusionen vorrätig sind. Verlegung auf die Intensivstation. Der Patient wurde nach 7 Tagen entlassen und ist aufgrund des akuten Nierenversagens seither dialysepflichtig.

Dieses Fallbeispiel ist ein sehr anschauliches Beispiel, wie mit Resourcen umgegangen wird. Viele Maßnahmen, die man in Deutschland ergreifen würde, können aufgrund mangelnder Mittel nicht umgesetzt werden, darunter u.a. die endotracheale Intubation.

Gestellte Diagnose

  • Hypovolämischer Schock

Aufgrund des andauernden Flüssigkeitsverlust ist der Patient in den Volumenmangelschock gerutscht. Neben dieser Ursache sind weitaus häufigere Ursachen Blutungen, sowohl innere als auch äußere.

Therapie in Deutschland

Auch in Deutschland wird der hypovolämische Schock ohne Blutung initial mit einer Volumenersatztherapie mittels Vollelektrolytlösungen therapiert. Aufgrund der bereits kompensatorischen Vasokonstriktion, wird die Therapie mit Vasopressoren eher vermieden. Allerdings kann man über die Therapie mit Akrinor durchaus nachdenken. Das Medikament ersetzt jedoch nicht die Volumensubstitution. Diese Maßnahme ist essenziell.

  • endotracheale Intubation / Atemwegssicherung

Je nach Lehrbuch unterscheiden sich die Meinungen, doch grob gesagt, wird eine Schutzintubation ab einem CGS 7 angestrebt. Diese Maßnahme hätte eine RSI (Rapid Sequenz Induktion - Narkose) nach sich gezogen, denn der endotracheale Tubus wird von wachen Patienten nicht toleriert. Alternativ muss über eine Extubation nachgedacht werden.


Patient #3

Sampler

  • 35 Jahre
  • Unwohlsein
  • Ø Vorerkrankungen
  • Ø Medikamente
  • Adipositas Grad 1

Beurteilung

  • Pat. wirkt entspannt
  • Ø äußerlichen Auffälligkeiten

Vitalparameter

  • SpO2: 99 %
  • Puls: 92 bpm
  • RR: 230/90 mmHg

Therapie

Der Patient wurde mit zwei Hub Nitroglycerin s.l. behandelt. Nach 15min wurde sein Blutdruck erneut überprüft. RR: 200/90 mmHg. Erneute Gabe von Nitroglycerin im Abstand von 30min zur vorherigen Therapie. Erneute Prüfung des Blutdrucks. RR: 180/90 mmHg. Aufgrund des mangelnden Erfolgs der Therapie wurde dem Patienten ein i.v.-Zugang gelegt und anschließend eine Therapie mit Nicardipin angestrebt. Nach erfolgreicher Senkung des Blutdrucks auf <160/90mmHg wurde der Patient an die Internisten übergeben.

CAVE: Aufgrund der dunklen Hautfarbe war keine Rötung der Haut zu sehen, bzw. für uns nicht erkennbar. Möglicherweise ist es mit mehr Übung besser beurteilbar. 

Gestellte Diagnose

  • Hypertensive Krise

Grundlegend muss erst einmal zwischen Hypertensiver Krise und Hypertensiven Notfall unterschieden werden. 

  • Hypertensiver Krise: > 230/130mmHg, Ø Endorganschädigung, weniger dringlich
  • Hypertensiver Notfall: >180/120mmHg, Endorganschädigung, sofortige Blutdrucksenkung notwendig!!

Therapie in Deutschland

  • Senkung des Blutdrucks ≤ 25% in den ersten Stunden
  • Ziel: < 160/100 mmHg nach mehreren Tagen
  • Behutsame Senkung um weitere Organschäden zu vermeiden

Medikamentöse Möglichkeiten:

  • Nitroglycerin
  • Urapidil
  • Calciumantagonisten
  • Clonidin

Individuelle Therapie ist hier das Stichwort. Anschließende Abklärung einer möglichen sekundären Hypertonie Ursache und Einstellung des Patienten nach stationären Stabilisierung.


Patient #4

Sampler

  • 40 Jahre
  • thorakale Schmerzen, Ø Ausstrahlung
  • Ø Vorerkrankungen

Beurteilung

  • aufgeregt
  • kaltschweißig

Vitalparameter

  • SpO2: 95%
  • Puls: 100 bpm
  • RR: 140/80 mmHg
  • EKG:

Therapie

Generell dauerten alle Vorgänge viel länger als in Deutschland. An Medikamenten wurde zu Beginn einige Runden Nitroglycerin mit entsprechenden Blutdruckkontrollen gegeben. Außerdem im weiteren Verlauf zuerst Diclofenac i.m. und Tramadol, später dann Antikoagulation (ich glaube, es war ASS). Auch wurde Sauerstoff appliziert, da der Pat. sich dyspnöisch zeigte.

An Diagnostik wurden regelmäßig seine Vitalparameter (Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung) gecheckt. Zu Beginn wurde außerdem sein Blutzucker gemessen. Ein EKG wurde geschrieben und auch ein transthorakaler Ultraschall des Herzens durchgeführt - der behandelnde Arzt konnte mit dem doch eher technisch weniger fortgeschrittenem Gerät hervorragend umgehen und mir ganz genau erklären, wo der Infarkt liegt.

Im weiteren Verlauf wurde Flüssigkeit gegeben, auch, weil sich der Pat. schwallartig erbrach. Außerdem nahmen wir Blut ab, um Herzenzyme und Troponin zu checken - das Blut wurde bis zur Übergabe an die ICU nicht abgeholt (klassische für die afrikanische Notaufnahme tbh.)

Als er dann mit Antikoagulation und Schmerzmedikation eingestellt war, wurde er engmaschig gemonitored und dann auf die ICU verlegt.

Gestellte Diagnose 

  • inferiorer Myokardinfarkt (RCA)

Therapie in Deutschland

Mir wurde noch das Schema mit MONA(S) BH beigebracht. Dabei haben die verschiedenen Medikamente zum Teil allerdings Einschränkungen:

  • Morphin: 5mg i.v. (Tagesmaximaldosis: 30mg - umstritten)
  • O2: Ab einer Sättigung < 90% (kann Vasokonstriktion begünstigen)
  • Nitroglycerin: KI >> Herzinsuffizienz, PD5-Hemmer, Schock,... 
  • ASS: initital 100-150mg i.v., 100mg/d Erhaltungsdosis
  • Statine: Sind nicht mehr Teil der Akuttherapie, finden aber ihre Anwendung in der Langzeittherapie und werden ab dem Krankenhausaufenthalt empfohlen
  • Betablocker: Bei Tachykardie, der Pat. sollte sich kreislaufstabil präsentieren
  • Heparin: inititale Dosis ca. 5.000 IE (Gewichtsadaptiert)

Als Therapie wird die PCI (Perkutane Koronarintervention) angestrebt. Sollte allerdings die Interventionseinleitung länger als 120min dauern, wird eine primäre Fibrinolysetherapie durchgeführt. 


Das war ein Auszug unserer interessantesten Fälle in der Notaufnahme auf Sansibar. Wir freuen uns auf Kommentare und nett angebrachte Kritik.

Raus in die Welt mir dir!

Chiara & Marie