Auslandsfamulatur Sansibar: B - Patienten der Notaufnahme

Auslandsfamulatur Sansibar: B - Patienten der Notaufnahme

Wir sind Chiara und Marie, studieren beide Medizin und haben eine Auslandsfamulatur in der Notaufnahme auf Sansibar abgelegt. Wir waren voller großer Erwartungen und auf die schlimmsten Fälle vorbereitet. Was wir dann tatsächlich wirklich alles gesehen haben, zeigen wir euch anhand einiger Fälle auf.

Wir haben auch einen Übersichtsblogpost, da wir in unserem Monat natürlich sehr viele Patienten sehen durften! Hier findest du alle Patienten die ein B-Problem haben. Sprich mit der Atmung.


Patientin #1

Sampler

  • 16 Jahre alt
  • Schülerin
  • Ø Vorerkrankungen bekannt
  • Atemschwierigkeiten auf dem Weg zur Schule
  • Ø Risikofaktoren bekannt

Beurteilung

  • aufgeregt
  • kurzatmig, kaltschweißig
  • Hautkolorit unauffällig
  • zieht Schultern bei Atmung nach oben

Parameter

  • SpO2: 97%
  • Puls: 130 bpm, rythmisch, kräftig (Handgelenk)
  • RR: 140/80 mmHg

Therapie

Die Patientin wurde in einen ruhigen Raum geschoben und ihre Mutter hat sich zu ihr gesetzt. Wir haben ihr sowohl den Kutschersitz, als auch die Lippenbremse an die Hand gegeben und sichergestellt, dass sie sie verstanden hat. Anschließend haben wir sie etwas warten lassen. Nach 20 Minuten haben wir ihre Parameter erneut gemessen. Und alle Parameter haben sich wieder in der Norm befunden. Schon eine Vermutung?

Gestellte Diagnose

  • (psychogener) leichter Asthmaanfall

Dieser Begriff wird stark diskutiert. Denn ein Asthmaanfall hat für gewöhnlich eine körperliche Ursache, während der psychogene Asthmaanfall psychischer Natur ist.

Ich hätte eher zu der Diagnose: akute Panikattacke, gegriffen. Die Patientin hatte aus unbekannten Gründen Angst zur Schule zu gehen. Leider konnte ich aufgrund der Sprachbarriere nicht mehr in Erfahrung bringen... Was denkt ihr? Schreibt es gern in die Kommentar! Ich bin sehr gespannt auf eure Meinung 🤭.

Therapie in Deutschland

Auch in Deutschland hätten wir die Beruhigung in den Vordergrund gestellt. 


Patientin #2

Sampler

  • 65 Jahre alt
  • Z.n. Stroke (Schlaganfall)

Beurteilung

  • aufgeregt
  • kurzatmig, Fieber
  • Hautkolorit unauffällig
  • Auskultation: Feinblasige Rasselgeräusche basal

Parameter

  • SpO2: 91%
  • Puls: 130 bpm, rythmisch, kräftig (Handgelenk)
  • RR: 100/70 mmHg

Therapie

8 Liter Sauerstoffgabe über Maske. Monitoring der Vitalparameter. Röntgen-Thorax angefordert. Therapie mit Ampicillin und Sulbactam.

Diagnose

  • ambulant erworbene Pneumonie ggf. Aspirationspneumonie

Auch wenn der vorherige stationäre Aufenthalt bei einem Schlaganfall auf eine nosokomiale Pneumonie hindeuten kann, war die Patientin bereits über mehrere Wochen Zuhause. Eine klare Abgrenzung ist hierbei nicht 100% möglich. Aber aufgrund der mangelnden Antibiotikaauswahl auf Sansibar, spielte das auch keine große Rolle...

Therapie in Deutschland

In Deutschland würde auch zunächst die Stabilisierung der Vitalparameter im Vordergrund stehen. Allerdings ist ein Schritt in der Pneumoniediagnostik in Deutschland vor einer antibiotischen Therapieeinleitung essenziell: 2 unabhängige Blutkulturenpaare. Nach einem Behandlungsbeginn können diese nämlich negativ sein, wodurch es bei einem Therapieversagen schwierig wird eine Resitenztestung durchzuführen. Das Röntgen wird auch in Deutschland planmäßig durchgeführt und nur durch ein CT bei unklaren Befunden ergänzt.

Mit dem CRB-65 Score kann eine Einschätzung zu Letalität getroffen werden und es dient ebenfalls zur Entscheidungshilfe für die stationäre Aufnahme. 

  • C: Confusion 
  • R: Respiratory Rate > 30 / min
  • B: Blood pressure < 90mmHg systolisch oder < 60mmHg diastolisch
  • 65: > 65 Jahre

Ab 3-4 Punkten ist mit einer Sterblichkeit von ca. 33-36% zu rechnen und eine stationäre Aufnahme gerechtfertig. In Deutschland wird die Indikation zur stationären Aufnahme großzügiger gestellt. in Sansibar sind die Plätze für Patienten sehr begrenzt...


Patientin #3

  • 22 Jahre alt
  • Ø Vorerkrankungen bekannt
  • Atemschwierigkeiten
  • Ø Risikofaktoren bekannt

Beurteilung

  • aufgeregt
  • kurzatmig, kaltschweißig
  • zyanotisch
  • zieht Schultern bei Atmung nach oben

Parameter

  • SpO2: 83%
  • Puls: 140 bpm, rythmisch, kräftig (Handgelenk)
  • RR: 150/80 mmHg

Therapie

Mobilisation der Atemhilfsmuskulatur: Kutschersitz und Lippenbremse. Beruhigen der Patientin und Vernebeln mit einer Salbutamol-Lösung. Nach 20min wurden die Parameter erneut erfasst (stabilisiert) und die Patientin nach ihren Symptomen (keine Atemnot mehr) befragt. 

Diagnose

Akuter Asthmaanfall

Bei Asthma bronchiale kommt es zu einer reversiblen Bronchokonstriktion des Bronchialsystems. Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied zum COPD (Chronisch obstruktive Lungenerkrankung), bei der es mit Hilfe von ß-Sympathikomimetikan nicht Reversibilität der Symptome kommt.

Der Asthmaanfall war während unserer Zeit in Sansibar ein sehr häufiges Krankheitsbild und hat uns fast täglich begleitet. 

Therapie in Deutschland

In Deutschland gliedern wir den akuten Asthmaanfall in 3 Schweregrade. Den leichten, mittleren und schweren Asthmaanfall. Mit Hilfe der klinischen Symptome und leicht erfassbarer Parameter (Herzfrequenz, Atemfrequenz und den Partialdrücken in einer Blutgasanalyse) sind diese Grade differenzierbar und entscheiden über die Menge der Verabreichenden Medikamente. Grundlegend wird in Deutschland neben dem ß2-Sympathikomimetikum noch ein Glukokortikoide oral oder intravenös verabreicht. Und ggf. durch ein Parasympathikolytikum (Ipatropiumbromid) ergänzt. Wie ihr euch denken könnt: hatten wir diese Medikamente ebenfalls nicht in der Notaufnahme zur Hand...


Weitere typische Krankheitsbilder die man in der Notaufnahme erwarten könnte:

  • Lungenarterienembolie
  • pulmonale Hypteronie
  • Exazerbierte COPD

Die haben wir allerdings nicht während unserer Zeit in Sansibar gesehen. Gerade bei der COPD, die sehr häufig durch Rauchen verursacht wird, haben wir uns nicht gewundert. Wir haben wirklich keinen Einheimischen mit einer Zigarette während unseres Aufenthalts gesehen.

Die Lungenarterienembolie tritt häufig in zeitlichen Zusammenhang mit einer tiefen Beinvenenthrombose auf, die wiederum mit Operationen und die daraus resultierende Immobilisation von Patienten in Zusammenhang steht.

Wir freuen uns auf eure Kommentare und das Feedback zu unserem Blogpost. Auch jegliche Diskussionen und Meinungen sind immer gern gesehen! Am liebsten beschäftigen wir uns mit konstruktiver Kritik und fachlichen Diskussionen.

Raus in die Welt mir dir!

Chiara & Marie